„Wir wollen die große Überraschung schaffen“
Frauen & Mädchen
16.07.2025
Mit Svenja Fölmli und Julia Stierli treffen zwei Freiburgerinnen am Freitagabend im EM-Viertelfinale auf Titelfavorit Spanien. Wir haben mit den beiden über das bisherige Turnier, die Stimmung in der Schweiz und ein mögliches zweites Wunder von Bern gesprochen.
Svenja, Julia – am Freitagabend steht ein ganz besonderes Spiel bevor. Wir groß ist eure Vorfreude schon jetzt auf das Viertelfinale gegen Spanien?
SVENJA FÖLMLI: Die Vorfreude ist wirklich groß. Mit dem Einzug ins Viertelfinale konnten wir Geschichte schreiben. Mit Spanien treffen wir auf einen starken Gegner, das wird eine richtige Herausforderung. Die Mehrheit denkt, dass wir eh verlieren werden – gerade deshalb haben wir eigentlich nichts zu verlieren und können alles reinwerfen.
JULIA STIERLI: Die drei Vorrundenspiele mit so vielen Zuschauer/innen waren schon ein Highlight. Das ist für uns wirklich einmalig. Dass im Viertelfinale wieder so viele Fans hinter uns stehen werden, ist ein cooles Gefühl. Da freuen wir uns wirklich extrem drauf.
Die Schweiz hatte zuvor noch nie die Gruppenphase einer Europameisterschaft überstanden. Macht es das noch einmal spezieller?
FÖLMLI: Wir haben zum ersten Mal ein K.O.-Spiel erreicht. Jetzt haben wir unser erstes großes Ziel geschafft. Alles, was nun noch kommt, ist für uns ein großer Bonus.
Dass ihr ins Viertelfinale eingezogen seid, lag an einem ganz späten Ausgleich durch Ex-Freiburgerin Riola Xhemaili gegen Finnland. Wie habt ihr den Treffer von der Bank aus erlebt?
STIERLI: Ich habe solche Gefühlsausbrüche wie in der Schlussphase gegen Finnland noch nie gehabt. Erst liegst du durch einen Elfmeter hinten und weißt, dass du noch mindestens ein Tor brauchst. Dann fällt dieser erlösender Treffer und ein Beben geht durchs ganze Stadion. Ich persönlich habe im Fußball noch nie so einen speziellen Moment erlebt.
FÖLMLI: Ich habe mich ein bisschen zurückversetzt gefühlt zu unserem Spielt mit dem SC gegen Frankfurt, als wir die Partie in der Nachspielzeit gedreht haben. Dieselben Gefühle hatte ich auch beim Finnland-Spiel, nur nochmal ein ganzes Stück intensiver, weil alles, was wir hier gerade erleben dürfen so groß ist.
Svenja, du hast ja mit Rio noch zusammen beim SC gespielt und ihren nicht immer einfachen Werdegang nah miterlebt. Wie sehr freust du dich gerade für sie?
FÖLMLI: Ich freue mich riesig mit Rio. Sie hatte nicht immer die einfachste Zeit, hat sich da aber trotzdem durchgekämpft. Ich gönne ihr diesen Moment total.
Welches Fazit zieht ihr nach der Gruppenphase und was könnt ihr aus diesen Spielen mit ins Viertelfinale nehmen?
STIERLI: Wir haben in den Gruppenspielen insgesamt einen guten Fußball gezeigt, hatten aber auch Phasen, in denen wir es nicht geschafft haben, alles abzurufen. Dennoch konnten wir uns fürs Viertelfinale qualifizieren. Gegen Norwegen haben wir eine starke erste Hälfte gespielt, gegen Island einen guten zweiten Durchgang. Jetzt gilt es, das über 90 Minuten zusammenzusetzen. Spanien ist ein Weltklasse-Team. Wir haben eine Chance, dürfen uns aber keine Fehler erlauben. Um die Überraschung zu schaffen, braucht es von allen eine Top-Leistung.
Die EM in der Schweiz hat schon wieder verschiedenste Zuschauerrekorde gebrochen. Wie erlebt ihr selbst die Stimmung bei der Heim-EM?
STIERLI: Die Atmosphäre ist der Wahnsinn. Noch vor einem Jahr hätte ich nicht erwartet, dass so viele Zuschauer/innen in die Stadien kommen werden und so eine Euphorie in der Schweiz entstehen kann. Das hat uns alle positiv überrascht und es ist einmalig, dass wir das erleben dürfen. Wir versuchen auch wirklich, jeden Moment zu genießen.
Glaubt ihr, dass diese Atmosphäre auch nochmal einen Push für die Entwicklung der Schweizer Liga und für den Frauenfußball generell geben wird?
FÖLMLI: Das ist schwierig zu sagen. Ich hoffe es auf jeden Fall. Es wäre zumindest ein großer Erfolg, wenn unsere Nationalmannschaftsspiele mit der Schweiz zukünftig gut besucht werden würden.
STIERLI: Es ist normal, wenn nach so einem Turnier die Euphorie auch ein Stück weit wieder abnehmen wird. Man kann nicht erwarten, dass sich das genau so in den Alltag überträgt. Was ich mir aber wünschen würde, ist, dass die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball erhalten bleibt – sei es in den Medien oder durch Sponsorendeals.
FÖLMLI: Ich finde es auch enorm wichtig, dass wir es zurzeit durch diese EM schaffen, viele junge Mädchen für den Fußball zu begeistern. Es wäre cool, wenn dadurch die Zahl an Mädels, die Fußball spielen wollen, weiter wachsen würde.
Wie viel bekommt ihr eigentlich von den anderen Partien mit?
STIERLI: Wir haben schon einige andere Spiele angeschaut. Es ist wirklich toll, dass alle Partien an allen Standorten so gut besucht und angenommen werden. Ich glaube, da kann man auch den Organisatoren mal ein Kompliment aussprechen. Die ganze Schweiz ist derzeit fußballbegeistert.
Ihr tretet gegen Spanien in Bern an. Dort habt ihr auch das Gruppenspiel gegen Island gewonnen – und Svenja zumindest für ein paar Sekunden ein Turniertor geschossen. Ein gutes Omen für die Herkulesaufgabe?
FÖLMLI: Ehrlicherweise konnte ich mich nach dem Tor selbst nicht so sehr freuen, weil ich mir schon gedacht habe, dass es per VAR zurückgenommen wird. Vielleicht gibt es uns als Team ein gutes Gefühl, weil wir in Bern gewonnen haben. Ich würde das aber nicht zu hoch hängen. Ich freue mich so oder so, wenn ich Spielzeit bekomme.
In Deutschland kennt jeder „das Wunder von Bern“. Sagt euch das auch was?
STIERLI: Von 1954, oder?
FÖLMLI: Ungarn gegen Deutschland.
Und die deutsche Nationalmannschaft gewann dort im Wankdorfstadion das WM-Finale gegen die hochfavorisierten Ungarn mit 3:2. Worauf wird es ankommen, dass es am Freitag fußballerisch „das Wunder von Bern 2.0“ geben wird?
FÖLMLI: Wir haben das Momentum auf unserer Seite. Ich glaube, es kann dann funktionieren, wenn Spanien sich auch ein Stück weit selbst schlägt. Wir müssen bissig sein, alles dagegenwerfen und Spanien so ein bisschen den Spaß nehmen.
STIERLI: Es ist kein Geheimnis, dass Spanien individuell auf allen Positionen besser besetzt ist als wir. Daher müssen wir es als Team schaffen, kompakt aufzutreten und Spanien das Leben so schwer wie möglich machen. Dann können wir auch das zweite Fußball-Wunder von Bern schaffen.
Das EM-Viertelfinale zwischen Spanien und der Schweiz wird am Freitag, 18. Juli, um 21 Uhr im Berner Wankdorfstadion angepfiffen. Die ARD und DAZN übertragen die Partie live.
Interview: Niklas Batsch
Foto: Imago Images
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