7. August 2022. Autorinnen und Autoren: Maike Albrecht
Frauenfußball: Werder droht den Anschluss zu verpassen
Die Frauen-EM hat Erwartungen geweckt. Rekordquoten, ein Hochglanzprodukt. Der Alltag in der Bundesliga sieht anders aus. Bei Werder gibt es nicht einmal eine richtige Kabine.
Freitagnachmittag, 15:30 Uhr. Die Spielerinnen von Werder Bremen fahren mit dem Rad am Trainingsplatz vor. Tasche auf dem Rücken, schon zu Hause umgezogen. Denn beim Bundesligisten gibt es keine geeignete Kabine für die Fußball-Frauen.
Die offizielle Kabine befindet sich auf Platz 12, in einem kleinen Gebäude, das wenig einladend aussieht. Sie wird im Grunde nicht genutzt, denn dort passen nicht einmal alle Spielerinnen gleichzeitig rein. Das Team hat so keinen richtigen Treffpunkt.
Wege für die Frauen sind sehr lang
"Wir können die Kabine nutzen, der Nachteil ist aber, dass die Wege sehr lang sind. Wir laufen ein Stück zur Physio, wir laufen ein Stück zum Kraftraum", erklärt Kapitänin Lina Hausicke. Ihr Mitspielerin Michelle Ulbrich ergänzt: "Sich zu Hause umziehen und duschen nervt auf jeden Fall. Erst mussten wir das ja wegen Corona. Aber gerade jetzt, wo es wieder möglich wäre, fehlt einfach was. Es fehlt ein gewisser Step hin zum Teamgeist. Das ist ein Riesenthema und würde viel helfen."
Veraltete Infrastruktur
Ein Beispiel, das zeigt, das beim Bundesligisten Werder Bremen nicht alles bundesligareif ist. Ein anderes Beispiel ist die zu kleine und veraltete Infrastruktur im Stadion Platz 11, mit der auch die Männer-Nachwuchsteams zu kämpfen haben.
Birte Brüggemann hat die Frauenfußball-Abteilung bei Werder Bremen seit 2007 aufgebaut, ist Leiterin, war auch schon Trainerin. Auch sie wünscht sich professionellere Strukturen.
Das sind Bedingungen, die nicht recht in die angestoßene Diskussion um eine Professionalisierung der Frauen-Bundesliga passen. Werder ist seit 2020 wieder erstklassig. War auch schon früher in der Bundesliga unterwegs. Für die Bremerinnen geht es immer um den Klassenerhalt, denn Werder ist vor allem strukturell eines der Schlusslichter der Liga.
Viel Arbeit, wenig Festangestellte
Gerade einmal vier hauptamtlich Festangestellte kümmern sich um vier Mannschaften – U15, U17, 2. Frauen und die Bundesligamannschaft. Dazu kommen noch zwei Angestellte, die einem anderen Bereich zugeordnet sind.
Wie eine Radio Bremen-Umfrage ergeben hat, haben nahezu alle anderen Bundesligisten deutlich mehr Personal und teils auch bessere Bedingungen beispielsweise in der Nachwuchsförderung. Lediglich die SGS Essen hat nur vier Festangestellte, Aufsteiger SV Meppen muss mit dreieinhalb Stellen auskommen. Mit-Aufsteiger MSV Duisburg hat sieben Festangestellte.
Die Klubs im Mittelfeld der Liga, die vergangene Saison direkt über Werder gelandet sind, haben zehn oder mehr feste Mitarbeiter. Werder Bremen muss aufpassen nicht abgehängt zu werden. Das weiß auch Hubertus Hess-Grunewald, der als Geschäftsführer bei Werder für die Frauen verantwortlich ist.
Das Problem: Werder steckt in einer schwierigen finanziellen Lage. Die Corona-Pandemie, dazu ein Jahr in der zweiten Liga. Da ist laut Hess-Grunewald eine Verbesserung kurzfristig nicht drin. "Ich hoffe jetzt, dass wir uns in der Männer-Bundesliga weiter etablieren können, und dann auch die finanziellen Mittel haben, um das weiter zu entwickeln. Das geht nicht von heute auf morgen, denn die Strukturen müssen mitwachsen."
Ein weiterer Punkt, in dem Werder fast allen Bundesligisten hinterherhinkt, ist die Nachwuchsförderung. Die Bremer können keine minderjährigen Spielerinnen von weiter weg verpflichten, da sie Mädchen keinen Internatsplatz oder eine betreute WG anbieten können.
Das Internat in der Ostkurve ist nur für Jungs. "Das ist historisch bedingt. Es gab vor Urzeiten Regeln, auch bundesweit, dass in Jungeninternate keine Mädchen rein durften, auch nicht zu Besuch. Dieses Fass haben wir nicht wieder aufgemacht. Fakt ist, dass wir minderjährige Spielerinnen von außerhalb im Moment nicht bekommen können", erklärt Brüggemann.
Topklubs für Werder unerreichbar
Klar ist, Werder will weiter Bundesliga spielen, auch wenn es für den großen Wurf wohl nie reichen wird. Denn die Frauen-Bundesliga wird dominiert von zwei Vereinen: Dem VfL Wolfsburg und Bayern München. In den vergangenen zehn Jahren wurde der VfL sieben mal Deutscher Meister, die Bayern drei Mal.
Zusammen mit Eintracht Frankfurt, der Nummer Drei, stellen diese Klubs nahezu alle deutsche Nationalspielerinnen, einige weitere sind in England unter Vertrag. Die Top-Spielerinnen sind bei den Top-Klubs Vollprofis, können gut von ihrem Gehalt leben, Trainingsbedingungen und Infrastruktur sind weit besser als bei abstiegsbedrohten Klubs wie Werder Bremen.
Zwischen den Top-Klubs und dem unteren Drittel der Liga gibt es ein solides Mittelfeld, teils mit guten Stadien und mehr Möglichkeiten im Nachwuchsbereich. Diese Vereine könnten Werder bald enteilen.
Beispiel SC Freiburg. Die Frauenmannschaft spielt nun im Dreisamstadion, weil die Männer eine neue Arena bekommen haben, dazu hat der Verein zu dieser Saison drei Menschen mehr fest angestellt, geht mit zwölf Hauptamtlichen in die neue Saison. Allerdings: Dort wird schon sehr viel länger Frauenfußball gespielt als in Bremen.
Die Spielerinnen in Bremen würden sich schon über Dinge wie einen Wäscheservice freuen – denn sie waschen alles selbst. Dazu haben sich noch andere Wünsche. "Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir weiter länger auf Rasen trainieren können, das ist einfach bei uns nicht möglich. Wir sind ab Oktober auf Kunstrasen. Das ist schlecht, das ist eine schlechte Bedingung. Das ist eine Kleinigkeit, die sich positiv verändern könnte“, findet Ricarda Walkling.
Grundgehalt? Werder ist skeptisch
Die meisten Spielerinnen bei Werder Bremen, erklärt Brüggemann, könnten von ihrem Gehalt einigermaßen leben. "Aber natürlich auf dem Niveau: Ich kann eine Wohnung mieten, im Idealfall in einer WG. Ich kann noch Auto fahren und mich gut ernähren." Der Abteilungsleiterin geht es vielmehr um "Equal play" statt um "Equal pay" – also um einigermaßen gleiche Arbeits- und Trainingsbedingungen.
Studieren oder arbeiten neben dem Fußball ist für fast alle Spielerinnen von Werder selbstverständlich – um Geld dazu zu verdienen und um vorbereitet zu sein auf das Leben nach dem Sport. Sie müssen an eine Absicherung und eine solide Ausbildung denken. Ihre Tage sind lang, das Training oft erst abends. Nicht ideal, um beste Leistungen zu bringen.
Mehr Zuschauer durch die EM? Dürfte schwierig werden
Die Fußball-Europameisterschaft in England hat Rekorde gebrochen. Das Finale der Deutschen haben 17,9 Millionen Menschen in der ARD gesehen, das Halbfinale 12,19 Millionen. Aber: In der vergangenen Bundesliga-Saison kamen selbst zu den Spielen der Topklubs Bayern und Wolfsburg im Schnitt nur um die 900 Zuschauer. Bei Werder waren es 360 – die zweitwenigsten der Liga. Die meisten Zuschauer gibt es in Frankfurt mit im Schnitt 1.500 Gästen.
"Bremen ist natürlich eine Stadt, die viel zu bieten hat, der Verein auch. Das heißt, ich überlege mir immer, wo gehe ich hin. Gucke ich U23, gucke ich Eishockey oder Basketball", erklärt Brüggemann. Außerdem sei das Stadionerlebnis auf Platz 11 ausbaubar. Daher will Werder das Bundesligaspiel gegen Freiburg im November, während der WM der Männer, im Weserstadion austragen. Nicht das beste Fußballwetter, der Gegner kein Topklub. Fraglich, wie viele Bremerinnen und Bremer wirklich kommen werden.
Hoffnung auf Veränderung
Die Spielerinnen bei Werder Bremen hoffen auf jeden Fall, dass der Hype um den Frauenfußball, den die EM ausgelöst hat, auch ihre Zukunft verändern wird. Der gesellschaftliche Druck wird größer, die Konkurrenz in der Liga rüstet auf.
Hoffnung auf Veränderung
Die Spielerinnen bei Werder Bremen hoffen auf jeden Fall, dass der Hype um den Frauenfußball, den die EM ausgelöst hat, auch ihre Zukunft verändern wird. Der gesellschaftliche Druck wird größer, die Konkurrenz in der Liga rüstet auf.
Werders Kapitänin wünscht sich wie ihre Kollegin vor allem eine schöne Kabine, die als Anlaufpunkt für die Mannschaft dienen kann. Doch trotz der großen Aufmerksamkeit für den Frauenfußball: Die Frauen bei Werder müssen nun wohl mal wieder den Männern die Daumen drücken. Etablieren die sich in der ersten Liga, kommt wieder mehr Geld in die Kasse. Dann können auch sie davon profitieren.
Quelle buttenundbinnen.de mit Videos