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Frauen - Nationalmannschaft kompakt > Saison 23/24

#9
Ex-Nationalspielerin rechnet mit DFB ab
Ich war eine Marionette des Systems

Meinung
Eine Kolumne von Tabea Kemme

[Bild: martina-voss-tecklenburg-die-bundestrain...euscht.jpg]
Martina Voss-Tecklenburg: Die Bundestrainerin war nach dem historischen WM-Aus tief enttäuscht. (Quelle: IMAGO/Eibner-Pressefoto/Memmler)

Zehn Tage ist das historische Scheitern der DFB-Frauen schon her. Folgt nun die große Analyse des Turniers? Die Probleme liegen tiefer.

G’Day aus Australien,

so langsam biegt die WM auf die Zielgerade ein – und die Euphorie hier im Land ist grenzenlos, so erlebe ich es hier vor Ort. Dass die "Matildas" nach wie vor im Turnier sind, spielt eine wichtige Rolle. Die Australierinnen und Australier sind durch und durch von der Fußballbegeisterung gepackt. Wer weiß, wo sich das noch hinentwickelt, sollte der Gastgeber am kommenden Mittwoch gar ins Finale einzieht?

Während also Schweden, Spanien, England und Australien noch im Turnier sind, musste das DFB-Team bereits vor mehr als einer Woche die Heimreise antreten. Jede Spielerin wird ihren eigenen Umgang mit der Enttäuschung finden, viel Zeit bleibt nicht, das Geschehene zu verarbeiten. Durchatmen, alles sacken zu lassen, ist nicht gegeben. Die Spielerinnen von Eintracht Frankfurt beispielsweise starten bereits am 18. August in die Saisonvorbereitung, der Fokus liegt dann wieder auf der kommenden Spielzeit sowie der Qualifikation für die Champions League.

Ich erinnere mich an 2016, als wir mit der Nationalmannschaft die Goldmedaille in Rio gewannen und ich zehn Tage danach wieder ins Mannschaftstraining bei Turbine Potsdam einsteigen sollte. Nach Rücksprache mit dem Coach bat ich um mindestens 14 Tage frei für die Nationalspielerinnen. Es ist wichtig, dass wir die Vorgaben nicht über uns und vor allem nicht auf Kosten unserer Gesundheit ergehen lassen, sondern hier in den Austausch mit den Verantwortlichen gehen.

Während den Spielerinnen also nur noch ein paar Tage der Verarbeitung und Regeneration bleiben, soll beim DFB nun die große Aufarbeitung stattfinden. Aber seien wir doch mal ehrlich: Du brauchst dieses Turnier jetzt nicht mehr analysieren, sondern musst tiefer gehen. Fakt ist: Wir hängen in Deutschland komplett hinterher, insbesondere was die Ausbildung angeht. Wir verschlafen zum wiederholten Male die Momente, in denen wir grundlegend was im Verband für die Professionalisierung der Liga verändern müssen.

Wo ist der Präsident, der die Defizite aufzeigt und transparent macht, welche Missstände aufgearbeitet werden müssen? Ich habe nichts in diese Richtung vernommen. Dass der DFB beim Thema Kommunikation, oder besser Krisenkommunikation enorm viel liegen lässt, das wissen wir nicht erst seit der WM in Katar. Als ich vor der WM im t-online-Interview die mangelnde Professionalisierung der deutschen Liga kritisiert hatte, bekam ich unmittelbar danach einen Anruf vom DFB. Ich habe nicht das Gefühl, dass der Verband von innen etwas ändern möchte. Und Vorschläge von außen werden abgeblockt.

Wir reden von einem hoch verschuldeten Verband, der nun mit dem Debakel der Frauenmannschaft den nächsten sportlichen Rückschlag einstecken musste. Das zeigt doch umso mehr, dass der DFB einen Impuls von außen braucht. Die Angst vor einem Machtverlust ist bei den Verantwortlichen zu groß. Dabei würde gerade auch internationale Expertise Deutschland extrem guttun.

Gerade was den Fußball der Frauen angeht, sehe ich eine große Gefahr, dass das Team innerhalb des Verbands parallel mitläuft – ohne dass etwas passiert. Angeblich suchen die Verantwortlichen nach einer Person, die sich explizit um den Fußball der Frauen kümmern soll. Und es gibt eine Reihe an hochrangigen Ex-Spielerinnen, die eine große Karriere und Expertise vorzuweisen haben. Doch wo sind diese Menschen? Nadine Angerer arbeitet seit zehn Jahren in den USA, Babett Peter verdient in Chicago ihr Geld. Es besteht kaum Interesse, zum deutschen Verband zurückzukehren.

Zuletzt wurde auch der Name Almuth Schult diskutiert, die ihre Karriere allerdings noch nicht beendet hat. Almuth ist eine Spielerin mit enormer Kompetenz, die den DFB weiterbringen würde. Sie war immer eine Spielerin, die den Mund aufgemacht hat. Jemand, der Missstände klar und deutlich anspricht und artikuliert, hat bei dieser WM gefehlt.

Die Verhandlungen des Mannschaftsrats rund um das Thema der Prämien und die zukünftige Aufstellung der Nationalmannschaft waren nicht zufriedenstellend für das Team. Vonseiten des DFB heißt es seit zig Monaten gebetsmühlenartig, dass Equal Play wichtiger sei als Equal Pay – und die Spielerinnen genervt seien von dem Thema. Das ist ein Kommunikationsplan, der den Spielerinnen weitergegeben wird. Es gibt Spielerinnen, die würden etwas sagen, werden aber von der DFB-internen Presseabteilung angehalten, es nicht zu tun. Es ist nicht gewünscht, dass ich als Spielerin mitgestalte, Missstände aufzeige und für gesellschaftliche Werte wie Gleichberechtigung einstehe.

Derzeit ist es schwer zu sagen, wo wir genau im deutschen Fußball stehen. Es sind die großen Fragen, die mich umtreiben: Wem beim DFB soll ich eigentlich was noch glauben? Wo ist die absolute Transparenz? Wie stellt sich der hoch verschuldete, größte Weltverband zukünftig auf? Während der WM kam ich mir rund um den DFB teilweise vor wie im falschen Film. Der Druck, dem du beim Verband ausgesetzt bist, ist enorm.

Dieser DFB-Komplex macht etwas mit dir. Und ich bin froh, dass mir irgendwann klar geworden ist, dass ich eine Marionette des Systems war.

Hintergrund zum Beitrag

Tabea Kemme spielte von 2013 bis 2018 für die deutsche Nationalmannschaft, wurde 2016 in Rio Olympiasiegerin. Bei der WM 2023 arbeitet sie vor Ort unter anderem für t-online als Kolumnistin. Ab der kommenden Spielzeit ist sie neben ihrem Experten-Job in der Männer-Bundesliga bei Sky auch für MagentaSport als TV-Expertin der Frauen-Bundesliga aktiv.

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Big Grin Ich glaub ich bin eine Signatur Tongue
Cs10 Denken ist die schwerste Aufgabe ...deshalb befassen sich so wenige damit! Cs10
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