27.02.2016 - 11:03
Da mir der bayrische Ministerpräsident aktuell tierisch auf die Nerven geht, belege ich das auch gerne noch mal mit seinen Zitaten:
Obwohl seine Partei in Berlin an der Regierung beteiligt ist, agiert Horst Seehofer in der Flüchtlingskrise wie der Führer einer Oppositionspartei. Fast kein Tag vergeht, an dem der CSU-Chef nicht mit neuen verbalen Attacken die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel angreift. Der Faktencheck zeigt: Fast immer lassen sich Seehofers Aussagen als Populismus entlarven.
1. "Einfach zu sagen, in unserer Zeit lassen sich 3.000 Kilometer Grenze nicht mehr schützen, ist eine Kapitulation des Rechtsstaats vor der Realität", sagte Seehofer in der vergangenen Woche und bezog sich damit auf Aussagen von Angela Merkel in der Talkshow "Anne Will".
Die Bundeskanzlerin stellte in der Sendung die rhetorische Frage, wie der angemahnte Schutz der Grenze denn aussehen solle - und kam zu dem Schluss, dass die Menschen ohnehin nach Deutschland kommen würden. Richtig ist, dass bisher nicht mal die mit mehreren Zäunen und NATO-Stacheldraht massiv gesicherte EU-Außengrenze die Menschen daran hindert, ihr Leben auf der gefährlichen Flucht aufs Spiel zu setzen. Wenn der deutsche Rechtsstaat aus seiner Außengrenze kein militärisches Hochsicherheitsgebiet machen will, kann er durch Grenzsicherungsmaßnahmen wenig erreichen. Eine Außengrenze wie in der DDR will aber wahrscheinlich nicht einmal Horst Seehofer.
2. "Wer in unserem Land Probleme größerer Art vermeiden will, muss für die Zuwanderungsbegrenzung sein".
Seehofer spricht von "Zuwanderungsbegrenzung", meint aber eigentlich eine Obergrenze für Asylbewerber (nicht etwa Einwanderer), um die es in der aktuellen Situation maßgeblich geht. Das Grundrecht auf Asyl gehört jedoch zu den unveräußerlichen Verfassungsartikeln (Ewigkeitsklausel) und garantiert politisch Verfolgten Asyl - unabhängig von einer Obergrenze. Es ist also rechtlich überhaupt nicht möglich, Menschen mit dem Hinweis abzuweisen, es sei bereits eine maximale Quote von Anträgen erreicht. Das weiß auch Seehofer - und fordert trotzdem immer wieder das Gegenteil.
3. "Der eine hält das Recht nicht ein und der andere will, dass es eingehalten wird", erklärte Seehofer in der vergangenen Woche.
Der bayerische Ministerpräsident droht Merkel mit einer Verfassungsklage für den Fall, dass die Bundeskanzlerin ihre Haltung in der Asylrechtsfrage nicht ändert. Sollte die Bundesregierung den Zuzug nicht begrenzen, würde die bayerische Staatsregierung die Klage in Karlsruhe mit dem Argument anbringen, der Bund gefährde die "eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder", teilte die bayerische Staatskanzlei mit.
Einer Klage in Karlsruhe wird von kaum einem Experten eine Erfolgsaussicht bescheinigt. Aus zwei Gründen: Zum einen sitzt die CSU in Berlin als Koalitionspartei mit in der Regierung und würde somit gegen politisches Handeln klagen, für das sie mitverantwortlich ist. Viel wichtiger ist jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht immer wieder das Grundrecht auf Asyl verteidigt hat, auf das sich Merkel mit ihrer Politik beruft. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Karlsruher Richter dieses Grundrecht zu Gunsten einer diffusen Bedrohung der "eigenstaatlichen Handlungsfähigkeit" eines Bundeslandes beschränken oder gar aussetzen. Das weiß vermutlich auch Horst Seehofer, eine Klage hat der Freistaat Bayern jedenfalls bis heute Mittag nicht eingereicht. Fazit: Seehofers Drohung ist reiner Populismus.
4. "Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands".
Mit der Ankündigung von so genannten Notwehrmaßnahmen zog der CSU-Chef viel Kritik von Experten und Politikern auf sich. Denn der Freistaat Bayern ist überhaupt nicht für den Schutz der deutschen Außengrenze zuständig. Das übernimmt - auch für den bayerischen Teil der Grenze - der Bundesgrenzschutz, dem gegenüber der CSU-Chef nicht weisungsbefugt ist. Auch die Weiterleitung der Flüchtlinge in andere Bundesländer würde geltendes Recht brechen. Auch das weiß der CSU-Chef vermutlich ganz genau - deshalb überrascht es kaum, dass die angekündigten Notwehrmaßnahmen bisher ausblieben.
5. "Bevor wir in Leistungskürzungen für die Bevölkerung gehen, die hier lebt, ist es unsere Pflicht, diesen nennenswerten - ich sage das auch vor diesem Parlament -, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen", sagte Horst Seehofer in einer Rede vor dem Bayerischen Landtag im Juli 2015.
Er verknüpfte dabei thematisch zwei voneinander unabhängige Dinge: Die Leistungen des deutschen Sozialstaates würden durch die Flüchtlingsströme bedroht. Es ist jedoch in Deutschland überhaupt keine Rede davon, irgendwelche Leistungen aufgrund der Flüchtlingskrise zu kürzen, auch nicht in Bayern. Seehofer spielt in diesem Zitat mit den Ängsten derjenigen, die wenig haben und konstruiert eine Konkurrenz zwischen sozial Schwachen und schutzsuchenden Flüchtlingen, die es so nicht gibt.
6. Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland zu lassen, "war ein Fehler", sagte Seehofer unter anderem in einem Gespräch mit dem SPIEGEL. Es drohe eine "nicht mehr zu beherrschende Notlage".
Mit seinem offenen Widerspruch zur Entscheidung der Bundesregierung, die Flüchtlinge aus Ungarn direkt nach Deutschland weiterreisen zu lassen, steht Seehofer nicht alleine da. Auch Merkels Innenminister Thomas De Maizière kritisierte den Schritt der eigenen Regierung und sagte, die Situation sei durch Merkels Entscheidung "außer Kontrolle" geraten. Die Bundeskanzlerin dagegen verteidigt ihr Vorgehen immer wieder - und verweist auf die Gefahren für Leib und Leben, die den Menschen auf ihrer Flucht drohen. Richtig ist, dass eine "nicht mehr zu beherrschende Notlage" - wie immer diese auch zu definieren wäre - bisher weder in Bayern noch im Rest von Deutschland eingetreten ist - und das trotz weiter steigender Flüchtlingszahlen.
7. "Wir sind nicht das Sozialamt für den Balkan - diese Aussage unterstreiche ich ausdrücklich", sagte Seehofer bereits im Februar 2015 auf dem CSU-Parteitag in Passau.
Richtig ist, dass Flüchtlinge aus der Balkan-Region, die aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland kommen, kein Asyl gewährt bekommen. Dieser Fakt ist aber unstrittig in weiten Teilen der deutschen Politik. Seehofer unterstreicht hier also eine Aussage, der überhaupt niemand widersprochen hat. Doch er bringt durch seine wiederholte Anprangerung von vermeintlichem Asylmissbrauch all jene in Verruf, die tatsächlich Hilfe benötigen.
Obwohl seine Partei in Berlin an der Regierung beteiligt ist, agiert Horst Seehofer in der Flüchtlingskrise wie der Führer einer Oppositionspartei. Fast kein Tag vergeht, an dem der CSU-Chef nicht mit neuen verbalen Attacken die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel angreift. Der Faktencheck zeigt: Fast immer lassen sich Seehofers Aussagen als Populismus entlarven.
1. "Einfach zu sagen, in unserer Zeit lassen sich 3.000 Kilometer Grenze nicht mehr schützen, ist eine Kapitulation des Rechtsstaats vor der Realität", sagte Seehofer in der vergangenen Woche und bezog sich damit auf Aussagen von Angela Merkel in der Talkshow "Anne Will".
Die Bundeskanzlerin stellte in der Sendung die rhetorische Frage, wie der angemahnte Schutz der Grenze denn aussehen solle - und kam zu dem Schluss, dass die Menschen ohnehin nach Deutschland kommen würden. Richtig ist, dass bisher nicht mal die mit mehreren Zäunen und NATO-Stacheldraht massiv gesicherte EU-Außengrenze die Menschen daran hindert, ihr Leben auf der gefährlichen Flucht aufs Spiel zu setzen. Wenn der deutsche Rechtsstaat aus seiner Außengrenze kein militärisches Hochsicherheitsgebiet machen will, kann er durch Grenzsicherungsmaßnahmen wenig erreichen. Eine Außengrenze wie in der DDR will aber wahrscheinlich nicht einmal Horst Seehofer.
2. "Wer in unserem Land Probleme größerer Art vermeiden will, muss für die Zuwanderungsbegrenzung sein".
Seehofer spricht von "Zuwanderungsbegrenzung", meint aber eigentlich eine Obergrenze für Asylbewerber (nicht etwa Einwanderer), um die es in der aktuellen Situation maßgeblich geht. Das Grundrecht auf Asyl gehört jedoch zu den unveräußerlichen Verfassungsartikeln (Ewigkeitsklausel) und garantiert politisch Verfolgten Asyl - unabhängig von einer Obergrenze. Es ist also rechtlich überhaupt nicht möglich, Menschen mit dem Hinweis abzuweisen, es sei bereits eine maximale Quote von Anträgen erreicht. Das weiß auch Seehofer - und fordert trotzdem immer wieder das Gegenteil.
3. "Der eine hält das Recht nicht ein und der andere will, dass es eingehalten wird", erklärte Seehofer in der vergangenen Woche.
Der bayerische Ministerpräsident droht Merkel mit einer Verfassungsklage für den Fall, dass die Bundeskanzlerin ihre Haltung in der Asylrechtsfrage nicht ändert. Sollte die Bundesregierung den Zuzug nicht begrenzen, würde die bayerische Staatsregierung die Klage in Karlsruhe mit dem Argument anbringen, der Bund gefährde die "eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder", teilte die bayerische Staatskanzlei mit.
Einer Klage in Karlsruhe wird von kaum einem Experten eine Erfolgsaussicht bescheinigt. Aus zwei Gründen: Zum einen sitzt die CSU in Berlin als Koalitionspartei mit in der Regierung und würde somit gegen politisches Handeln klagen, für das sie mitverantwortlich ist. Viel wichtiger ist jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht immer wieder das Grundrecht auf Asyl verteidigt hat, auf das sich Merkel mit ihrer Politik beruft. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Karlsruher Richter dieses Grundrecht zu Gunsten einer diffusen Bedrohung der "eigenstaatlichen Handlungsfähigkeit" eines Bundeslandes beschränken oder gar aussetzen. Das weiß vermutlich auch Horst Seehofer, eine Klage hat der Freistaat Bayern jedenfalls bis heute Mittag nicht eingereicht. Fazit: Seehofers Drohung ist reiner Populismus.
4. "Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands".
Mit der Ankündigung von so genannten Notwehrmaßnahmen zog der CSU-Chef viel Kritik von Experten und Politikern auf sich. Denn der Freistaat Bayern ist überhaupt nicht für den Schutz der deutschen Außengrenze zuständig. Das übernimmt - auch für den bayerischen Teil der Grenze - der Bundesgrenzschutz, dem gegenüber der CSU-Chef nicht weisungsbefugt ist. Auch die Weiterleitung der Flüchtlinge in andere Bundesländer würde geltendes Recht brechen. Auch das weiß der CSU-Chef vermutlich ganz genau - deshalb überrascht es kaum, dass die angekündigten Notwehrmaßnahmen bisher ausblieben.
5. "Bevor wir in Leistungskürzungen für die Bevölkerung gehen, die hier lebt, ist es unsere Pflicht, diesen nennenswerten - ich sage das auch vor diesem Parlament -, diesen massenhaften Missbrauch des guten Asylrechts, das im Grundgesetz geschützt ist, einzudämmen und abzustellen", sagte Horst Seehofer in einer Rede vor dem Bayerischen Landtag im Juli 2015.
Er verknüpfte dabei thematisch zwei voneinander unabhängige Dinge: Die Leistungen des deutschen Sozialstaates würden durch die Flüchtlingsströme bedroht. Es ist jedoch in Deutschland überhaupt keine Rede davon, irgendwelche Leistungen aufgrund der Flüchtlingskrise zu kürzen, auch nicht in Bayern. Seehofer spielt in diesem Zitat mit den Ängsten derjenigen, die wenig haben und konstruiert eine Konkurrenz zwischen sozial Schwachen und schutzsuchenden Flüchtlingen, die es so nicht gibt.
6. Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland zu lassen, "war ein Fehler", sagte Seehofer unter anderem in einem Gespräch mit dem SPIEGEL. Es drohe eine "nicht mehr zu beherrschende Notlage".
Mit seinem offenen Widerspruch zur Entscheidung der Bundesregierung, die Flüchtlinge aus Ungarn direkt nach Deutschland weiterreisen zu lassen, steht Seehofer nicht alleine da. Auch Merkels Innenminister Thomas De Maizière kritisierte den Schritt der eigenen Regierung und sagte, die Situation sei durch Merkels Entscheidung "außer Kontrolle" geraten. Die Bundeskanzlerin dagegen verteidigt ihr Vorgehen immer wieder - und verweist auf die Gefahren für Leib und Leben, die den Menschen auf ihrer Flucht drohen. Richtig ist, dass eine "nicht mehr zu beherrschende Notlage" - wie immer diese auch zu definieren wäre - bisher weder in Bayern noch im Rest von Deutschland eingetreten ist - und das trotz weiter steigender Flüchtlingszahlen.
7. "Wir sind nicht das Sozialamt für den Balkan - diese Aussage unterstreiche ich ausdrücklich", sagte Seehofer bereits im Februar 2015 auf dem CSU-Parteitag in Passau.
Richtig ist, dass Flüchtlinge aus der Balkan-Region, die aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland kommen, kein Asyl gewährt bekommen. Dieser Fakt ist aber unstrittig in weiten Teilen der deutschen Politik. Seehofer unterstreicht hier also eine Aussage, der überhaupt niemand widersprochen hat. Doch er bringt durch seine wiederholte Anprangerung von vermeintlichem Asylmissbrauch all jene in Verruf, die tatsächlich Hilfe benötigen.
ja nee, is klar!!