Amoklauf oder Terrorakt?
Deutsch-Iraner (18) erschießt offenbar neun Menschen und tötet sich selbst
23.07.2016, 08:08 Uhr | ckr mit Material von dpa und AFP
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Für München ist in der Nacht auf Samstag ein Alptraum zu Ende gegangen, der seinesgleichen sucht: Ein 18-jähriger Deutsch-Iraner hatte kurz vor 18 Uhr das Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München-Moosach überfallen, mit einer Pistole neun Menschen erschossen und 21 weitere verletzt. Am Ende tötete er sich selbst. (Hier zum Live Blog zum Nachlesen).
Nach der blutigen Schießerei konnte die Polizei am frühen Samstagmorgen Entwarnung geben: Der Schütze habe mit hoher Wahrscheinlichkeit alleine gehandelt, teilte sie bei einer Pressekonferenz um zwei Uhr morgens mit. Hinweise auf einen islamistischen Anschlag gebe es bislang nicht.
Bizarrer Streit im Parkhaus
Die Leiche des jungen Mannes sei etwa einen Kilometer vom Einkaufszentrum entfernt gefunden worden. Er habe sich sehr wahrscheinlich selbst getötet, sagte Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä
Zuvor waren bei der Bluttat mindestens neun Menschen sowie der mutmaßliche Täter ums Leben gekommen. Unter den Toten seien Jugendliche, unter den Verletzten Kinder, sagte Andrä.
Nach Angaben Andräs hatte der 18-Jährige in einem Schnellrestaurant neben dem Einkaufszentrum zu schießen begonnen:
Anschließend gab er Schüsse bei einem Einkaufszentrum ab und ergriff die Flucht. Dabei gab es auch eine bizarre Szene auf dem Dach des Parkhauses, die ein Anwohner filmte. Auf dem Video streitet sich der mutmaßliche Täter offenbar mit einem Mann, der ihn unerschrocken aber rassistisch beschimpft.
Im Videomitschnitt hört man den Täter rufen: "Ich bin in Deutschland geboren." Zudem schimpft er auf Türken. Während des Streits scheint er wirr hin und herzulaufen und gibt immer wieder Schüsse ab:
Eine Zivilstreife, so Polizeipräsident Andrä, sei - wohl nach dieser Szene - auf den Täter gestoßen und habe auch auf ihn geschossen. Es sei aber noch unklar, ob der Täter dabei auch getroffen wurde.
Wie das Gerücht von den drei Attentätern aufkam
Die Hintergründe der Bluttat und das Motiv seien noch völlig unklar, sagte Andrä weiter. Unklar bleibt damit auch, ob die Tat ein Amoklauf war oder ein Terroranschlag. Da der Täter Deutsch-Iraner sein soll, könnte er schiitischer Moslem sein - und damit Todfeind des terroristischen Islamischen Staates, der Schiiten als Ketzer ansieht. Auch das Ende des Täters - der Selbstmord - passt keineswegs zum Anschlagsmuster islamistischer Terroristen.
Andrä sagte, es sei jedenfalls nicht davon auszugehen, dass es weitere Täter gegeben habe. Der 18-Jährige soll bereits seit mehr als zwei Jahren in München gelebt haben. Er sei bislang der Polizei nicht aufgefallen.
Polizeipräsident Andrä sprach vor Journalisten vom bisher schwersten Tag seiner Karriere. "Das Geschehen von gestern Abend und heute Nacht macht uns traurig, sprachlos, und die Gedanken sind insbesondere jetzt auch bei den Opfern", sagte er. Immer wieder hatte die Polizei auf Twitter an Bürger appelliert, mit Rücksicht auf Angehörige keine Bilder von Opfern zu veröffentlichen.
Zunächst war aufgrund von Zeugenaussagen noch von drei flüchtigen Männern mit "Langwaffen" ausgegangen worden. Andrä erklärte dies damit, dass nach der Tat zwei Männer mit hoher Geschwindigkeit in einem Auto davon gerast seien. Später habe sich aber herausgestellt, dass sie mit der Tat nichts zu tun gehabt hätten.
Auch GSG 9 im Einsatz
Nach den Schüssen war Panik in Teilen der Stadt ausgebrochen. Dabei brach sich jedoch auch eine Welle der Solidarität Bahn: Menschen boten Passanten ihre Wohnungen als Unterkunft an.
Das Olympia-Einkaufszentrum liegt mitten in einem Wohngebiet, zwei U-Bahn-Stationen vom Olympiastadion entfernt. Mit 135 Geschäften ist es eine der größten Shopping-Meilen in München.
Während der Jagd auf den Schützen wurde der öffentliche Nahverkehr zeitweise eingestellt. Der Hauptbahnhof wurde geräumt und nicht mehr angefahren. Im Stadtgebiet waren über lange Zeit Martinshörner von Polizeiwagen zu hören, Hubschrauber kreisten über der Stadt.
Die Polizei forderte die Bürger am Freitagabend zunächst auf, zuhause zu bleiben, weil nicht klar war, ob Täter auf freiem Fuß in der Stadt unterwegs waren. Sie sprach von einem "Terrorverdacht".
Die Polizei war mit einem Großaufgebot von rund 2300 Beamten im Einsatz. Unter ihnen waren Kräfte der Spezialeinheit GSG9 und des Sondereinsatzkommandos Cobra aus Österreich. Am frühen Samstagmorgen gab die Polizei dann Entwarnung.